Der Drachenfurz

Es knallte gleich dreimal elektronisch im Gehirn des Königreiches Occlusien.
Neunzehn lange Jahre nun schon litten die Haus- und Hofdrachen des Landes unter der fürchterlichsten Verstopfung,
die sie sich jemals alle gleichzeitig auf einer ihrer damaligen Jahreshauptversammlungen
durch den ungezügelten Verzehr von zuviel vertrocknetem Alte-Jungfer-Soufflee eingehandelt hatten.
In bösartiger Absicht hatte ihnen das der Koch untergejubelt, den die neidischen Nachbarkönige
eigens zu diesem Zweck mit Butterbergen geschmiert hatten.
Und bis zum heutigen Tage war niemand imstande dieses schwerwiegende Problem zu behandeln.
Sicherlich war auch dagegen ein Kraut gewachsen, die Schwierigkeit lag allein nur darin,
daß man ignoranterweise durch zu übertriebenes Rasenmähen das unscheinbare aber wertvolle Kräutlein
von den Wiesen dieser Gegend vergrault hatte.

Und so mußte man schmerzlich erfahren, wie unausstehlich Drachen wurden wenn sie leiden mußten.
Nach allen Himmelsrichtungen spieen sie völlig unkontrolliert Gift und Feuer, und Galle und Spei
und verursachten so nach kurzer Zeit eine nie gesehene Unfruchtbarkeit unter den Prinzen und Prinzessinnen,
die sich vor Angst nahezu pausenlos in die Hosen schissen, was die Drachen natürlich nur noch umso wütender machen mußte.
Daraufhin aber verdörrten die Äcker, Seen und Teiche trockneten aus und nicht ein einziger Baum wollte mehr Früchte tragen.
Naturgemäß zogen dann auch die Tiere einen Tapetenwechsel vor und wanderten aus.
Das Reich aber versank in einer stumpfen Schicht aus Staub und wüster Agonie.

Und so war man gezwungen von der Hand in den Mund zu leben.
Neunzehn lange Jahre sind nun aber eine verdammt lange Zeit für hungrige Mäuler und das Land
gab nichts mehr her und auch die Hände wurden zusehends rarer.
Alle Weisen des Reiches hatte man schon zu Rate gezogen,
doch wußte keiner von ihnen wo das dringlich ersehnte Heilkraut denn überhaupt noch wachsen könnte,
da die Rasenmäherei längst schon zu einem globalen Hobby geworden war.
Und damit nicht genug, hatte es mittlerweile sogar eine statushafte Symbolik erreicht,
denn umso kürzer das Gras war, als desto edler bezeichnete man Seele und Gesinnung des Rasenbehandlers.

Soweit mußte es erst kommen, bis endlich der magische Augenblick kam,
da an einer stark befahrenen Kreuzung eine frischgewaschene Limousine an der roten Ampel hielt
und ein siebenjähriges Kind den entscheidenden Hinweis zum elektrisch geöffneten Fenster in die Welt herausbrüllte.
"Leck mich am Arsch," schrie es zornig, "wenn die verdammte Scheiße hier sich nicht bald weiterbewegt,
furz doch der Drache drauf."
Es war eine rein intuitive Handlung des Knaben gewesen, die aber zufälligerweise von einem der Weisen,
der sich gerade in der Eckkneipe auf einige Bierchen niedergelassen hatte, aufgeschnappt wurde.
Er verstand, schließlich war er ja weise, sofort den verborgenen Sinn dieses Ausrufes
und eilte ohne zu zahlen unverzüglich zum nächsten Handymaten, um dem König zu berichten,
was sich soeben ereignet hatte.
Nun endlich wußte man was zu tun sei um die Probleme des Reiches zu bewerkstelligen
und man schickte sofort eine zuverlässige Gruppe von gesandten Experten und Analytikern
auf die abenteuerliche Reise zum Arsch der Welt.

Der Weg nach da war beschwerlich lang und voller Gefahren,
die überall am Straßenrand verborgen auf leichte Beute lauerten.
Oftmals sahen sich die Wanderer dazu genötigt ohne langes Hinterfragen alles niederzuballern,
was bettelnd auf sie zugekrochen kam, denn Zeit hatte man nämlich absolut keine mehr zu verlieren.
Aus gutem Grund hatte man es sehr eilig, denn es hatte Spione, unfreiwillige Zeugen und Mitwisser
des Kreuzungsgeschehens gehabt, die skrupellos genug waren,
ihr Wissen durch den Verrat an die verfeindeten Nachbarkönige in Berge umzumünzen.
Sowas kommt dann davon, wenn man zu leichtsinnig in Eckkneipen das besoffene Maul aufreißt.
Der alte Narr hatte also wichtigtuerisch vor seinen Zechgesellen herumgeprahlt.
Das war ein ziemlich subversives kommunistisches Handeln im falschen Moment am falschen Ort.
Und daher gab es unliebsame Kontrahenten auf der Jagd nach dem seltenen Drachenfurz,
die nun mit allen Mitteln versuchten als Erste das zarte Pflänzchen in die Finger zu bekommen.
Dazu kamen noch zusätzlich die katastrophal extremen klimatischen Bedingungen des Reiseweges,
gegen die es blödsinnigerweise keine Versicherung gab, weil einfach allen das Risiko zu hoch gewesen war.

So unversichert lastete natürlich ein enormer Druck auf der Expedition, was die Unternehmung nicht leichter machte.
Man hatte sich persönlich um jeden Scheißdreck zu kümmern, der da, wie schon erwähnt, angekrochen kam.
Es durfte also nicht das Geringste schiefgehen, sonst saß man vielleicht unversehens mit seinem Hintern
am Arsch der Welt fest und fand sich gearscht.
Jaja, das war alles nicht so einfach, wie es mancher eventuell glauben könnte.
Der Kürze wegen, der man übrigens eine gewisse Würze andichtet,
greifen wir den Ereignissen jetzt besser voraus und ersparen wir uns damit das ganze unappetitliche Hickhack
um ein bescheuertes Unkraut, ersparen wir uns die Vorstellung von brutaleren Szenen,
wie man sie tausendfach aus der Filmwelt in Erinnerung hat und ersparen wir uns dann noch ein paar Cent
für ein leckeres Eis in der Sommersonnenglut, dann sind wir fast schon am Ende der Erzählung angekommen.
Male sich`s ab hier ein jeder doch selbst aus, wie er`s gerne hätte, daß die Geschichte sich weiterentwickelt,
denn man erwartet mich seit mehr als einer Stunde schon sehnsüchtig in meiner Eckkneipe,
wo wir heute abend mächtig einen wegmachen woll`n.
"Ja furz doch der Drach drauf, wenn sich die verdammte Scheiße hier nicht bald weiterbewegt!"
